Grad der Behinderung

Viele fragen sich: Lipödem und „Behinderung“? Auch beim Lipödem hat man ab einem gewissen Punkt/Stadium mit Einschränkungen zu kämpfen, welche ein normales Leben erschweren und man im täglichen Leben benachteiligt wird. Um diese Benachteiligung auszugleichen, kann ein Grad der Behinderung (GdB) beantragt werden.

Hinweis: Um einen GdB zu beantragen und ggf. einen Schwerbehindertenausweis zu erhalten, muss man nicht im Rollstuhl sitzen oder   
              geistig eingeschränkt sein.

Aber der Reihe nach …

Begriffserklärung:

 


Die Bezeichnung GdB (Grad der Behinderung) wird im Sozialgesetzbuch IX (Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen) verwendet.

 


Die Bezeichnung GdS (Grad der Schädigung) wird im Sozialen Entschädigungs
recht verwendet, dessen Rechtsgrundlage das Bundesversorgungsgesetz (BVG) ist. Die Kernstücke sind hier insbesondere die Kriegsopferversorgung und die Opferentschädigung.

Der Grad der Behinderung (GdB) benennt die Schwere einer Behinderung oder Erkrankung. Dieser wird in 10er Graden von 20 – 100 eingestuft. Fälschlicherweise wird dies umgangssprachlich oft in Prozent, z.B. GdB von 40%, benannt; richtig ist einfach: GdB von 40.

Voraussetzungen:

- Die Funktionsbeeinträchtigung hält länger als sechs Monate an.
- Die Funktionsbeeinträchtigung ist körperlicher oder/und geistiger Art, welche von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht.

Antragstellung:

Einen Antrag auf „Feststellung einer Behinderung und auf den entsprechenden Grad der Behinderung“ stellt man – und das ist leider von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich – beim zuständigen Versorgungsamt oder Amt für Soziales. Die Anträge kann man von dort
anfordern oder inzwischen auch online herunterladen oder gar online ausfüllen.

In diesen Antrag werden alle
- behandelnden Ärzte
- Krankheiten
- Einschränkungen
- Schmerzen
- psychische Auswirkungen
- KH-Aufenthalte
aufgelistet.

Hier sollte man gut überlegen und nichts vergessen. Anderenfalls werden aufgrund dessen evtl. wesentliche Beeinträchtigungen beim Feststellungsverfahren des Versorgungsamtes nicht berücksichtigt.

 


Je besser und ausführlicher hier die Funktionseinschränkungen und Beeinträchtigungen beschrieben werden, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, einen höheren GdB zu erhalten.

Laut Auskunft der Versorgungsämter kann man die Bearbeitungsdauer verkürzen, indem man alle vorliegenden aktuellen – nicht älter als ca. 2 Jahre – ärztlichen Unterlagen, z. B. Befundberichte, Pflegegutachten, ärztliche Gutachten, REHA-Abschlussberichte, EKG,
Labor- und Röntgenbefunde oder ähnliche Unterlagen zu den benannten gesundheitlichen Beeinträchtigungen dem Antrag in Kopie beifügt.

Man sollte – wenn die Voraussetzungen vorliegen – auch nicht vergessen, im Antrag die Feststellung eines Merkzeichens zu beantragen. 

Wer sich beim Ausfüllen eines solchen Antrages unsicher ist, kann sich durchaus Hilfe holen. Diese kann z. B. vom Hausarzt, Facharzt, Schwerbehindertenvertretung in Eurer Firma oder auch Organisationen, wie VdK, kommen.

Entscheidung

Man erhält von Versorgungsamt nach Prüfung des Antrages - ab einem GdB von 20 einen Feststellungsbescheid, welcher die Höhe des festgestellten GdB benennt,
- bei einem GdB ab 50 zusätzlich einen Schwerbehindertenausweis (deshalb ist es empfehlenswert schon beim Antrag ein Passfoto   beizulegen),
- bei einem GdB unter 20 einen ablehnenden Bescheid.
Im Feststellungsbescheid wird auch aufgeführt, ob und welche Merkzeichen gewährt
wurden.

 


Die Berechnung und Entscheidung des GdB ist immer vom individuellen Einzelfall abhängig.

 


Bei der Feststellung des GdB bei Kindern und Jugendlichen werden die gleichen Maßstäbe wie bei Erwachsenen mit denselben Einschränkungen zugrunde gelegt, sofern dies nicht zu einer Benachteiligung führt.

 


Wird ein GdB nicht oder zu gering bewilligt, sollte man einen Widerspruch einlegen. Leider wird bei einem Erstantrag sehr oft zu niedrig eingestuft.

Widerspruch gegen den Feststellungsbescheid

Gegen den Feststellungsbescheid kann man innerhalb eines Monats einen Widerspruch einlegen. Oft ist es jedoch für den „Laien“  schwierig zu beurteilen, ob der zugewiesene GdB richtig oder falsch ist. Wenn man Zweifel an der Einstufung hat, kann man den Bescheid mit dem behandelnden Arzt besprechen. Hier erhält man oft schon eine gute Einschätzung zum Thema. Man kann aber den Bescheid, z. B. auch bei einem Rechtsanwalt (hier wäre eine Rechtsschutzversicherung hilfreich), spezialisiert auf Sozialrecht, Sozialverbände, bei Behindertenverbänden usw. prüfen lassen.

 


Ein Widerspruch ist im Sozialrecht grundsätzlich kostenfrei.

Es kommt nicht selten vor, dass die Behörden im Widerspruchsverfahren ihre Fehler erkennen und einen korrigierten Bescheid erstellen. Dieser nennt sich Abhilfebescheid. Sollte die Behörde bei der ergangenen Entscheidung bleiben und den Widerspruch ablehnen, erstellt sie einen Widerspruchsbescheid, gegen den eine Klage beim Sozialgericht möglich ist.

Welche Merkzeichen gibt es?

aG
B
Bl
G
Gl
H
Rf
TBl

=
=
=
=
=
=
=
=

Außergewöhnlich gehbehindert
Begleitperson erforderlich
Blind
Erheblich gehbehindert
Gehörlos
Hilflos
Ermäßigungsberechtigt für Rundfunkbeitrag
Taubblind

Allgemeines:

Der Antrag auf Anerkennung einer Behinderung wird anhand der eingereichten Unterlagen von Gutachtern des Versorgungsamtes geprüft. Diese entscheiden dann, welcher GdB vorliegt. In Ausnahmefällen kann es auch möglich sein, dass man zu einer Untersuchung eingeladen wird.

Für die Feststellung der Höhe des GdB gibt es eine bundesweit einheitliche Richtlinie, die "Versorgungsmedizin-Verordnung". Entscheidend ist dabei immer die Gesamtheit der vorliegenden Beeinträchtigung.

Liegen mehrere Beeinträchtigungen vor, so werden diese nicht einfach zusammengerechnet. Es wird der höchste GdB einer einzelnen Erkrankung zugrunde gelegt und geprüft, ob dieser evtl. durch die anderen Beeinträchtigungen erhöht wird.

Erklärung: Wenn z. B. eine Behinderung mit einem Grad von 30 und eine weitere mit einem Grad von 40 bewertet wird, ergibt sich daraus kein GdB von 70.

In der Bewertung wird berücksichtigt, wie die Funktionsbeeinträchtigungen sich auswirken. Geprüft wird auch, ob und wie sich mehrere vorhandene Einschränkungen gegenseitig beeinflussen. Es kann also durchaus ein Ergebnis aus o.g. Beispiel aus Behinderungen mit einem Einzel-GdB von 30 und 40 ein Grad der Behinderung von 60 entstehen.

Auch chronische Erkrankungen können als Behinderung anerkannt werden. Wie weiter oben schon erwähnt: Nicht nur Menschen mit einer Sinnes- oder Mobilitätseinschränkung(en) können einen GdB und Schwerbehindertenausweis erhalten.

Sehr viele Menschen leiden an einer oder mehreren chronischen Erkrankungen; gerade mit zunehmenden Alter. U. a. werden folgende chronische Erkrankungen anerkannt:

- Asthma,
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen,
- Schlaganfall,
- Rheuma,
- Diabetes,
- Multiple Sklerose,
- schwere Migräne,
- Akne,
- chronische Darmerkrankung Colitis Ulcerosa,
- chronische Hepatitis mit starker entzündlicher Aktivität,

 aber auch:

- schmerzhafte Rückenleiden,
- Krebserkrankungen.

Entscheidend für die Bewertung eines GdB bei chronischen Erkrankungen ist das Ausmaß der Erkrankung.

 


Man kann also sagen: Jede einschränkende Krankheit kann einen GdB
begründen!

Gleichstellung Arbeitnehmer

Bei einem GdB von mindestens 30 und von unter 50 können sich berufstätige schwerbehinderte Menschen gleichstellen lassen. Der Antrag auf Gleichstellung wird beim örtlichen Arbeitsamt gestellt. Ziel der Gleichstellung ist es, dass Arbeitnehmer im Alltag und im Berufsleben entlastet und unterstützt werden. Dies geschieht u. a. durch:

- Besonderen Kündigungsschutz,
- Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (z. B. Kostenübernahme für Hilfsmittel oder besondere Reha-Angebote),
- Hilfe bei der Arbeitsplatzgestaltung (z. B. für barrierefreie Umbauten),
- Betreuung durch spezielle Fachdienste (z. B. durch die Integrationsfachdienste),
- Lohnkostenzuschüsse für den Arbeitgeber und weitere Anreize zur Beschäftigung,
- Wahlberechtigung für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung im Unternehmen.

Ab einem Grad der Behinderung von 50 spricht man von Schwerbehinderung und man erhält einen Schwerbehindertenausweis, in welchem der GdB und ggf. die entsprechenden Merkzeichen eingetragen sind. Abhängig von der Art und dem Grad der Behinderung kann man bestimmte Nachteilsausgleiche und Vergünstigungen, wie z. B. finanzielle Ermäßigungen bei Freizeitaktivitäten (vergünstigte Preise bei Eintrittskarten für Kino, Schwimmbad, Museum oder Theater) erhalten. Der Schwerbehindertenausweis berechtigt zusätzlich, bestimmte Leistungen und Hilfen in Anspruch zu nehmen.

So ist es z. B. möglich, dass man keine Rundfunk- und Fernsehgebühren bezahlen muss und Busse und Bahnen günstiger oder evtl. kostenlos genutzt werden können.

Diese hier alle aufzuführen und den einzelnen Merkzeichen zuzuordnen würde aber den Rahmen sprengen. Auch müssen die Vergünstigungen aufgrund der/des Merkzeichens extra beantragt werden. Menschen mit Behinderung können einen Steuerfreibetrag geltend machen.

Für schwerbehinderte Arbeitnehmer sieht das Arbeitsrecht u.a.

- insgesamt 5 zusätzliche Urlaubstage pro Jahr vor,
- bei einer etwaigen Kündigung muss der Integrationsbeauftragte zustimmen,
- das Recht, Überstunden abzulehnen,
- auch kann man mehr Pausen, zum Beispiel für die Medikamenteneinnahme oder
- körperliche Entlastungen beantragen,
- je nach Art der Behinderung hat man Anspruch auf entsprechende Hilfsmittel am Arbeitsplatz,
- Menschen mit Schwerbehinderung können mit 63 Jahren in Rente gehen – vorausgesetzt, man hat mindestens 35 Jahre in die gesetzliche
  Rentenversicherung eingezahlt.

Als Arbeitnehmer ist man nicht verpflichtet, dem Arbeitgeber über eine vorliegende Schwerbehinderung zu informieren. Bei einer Mitteilung an den Arbeitgeber hat man aber kaum Nachteile zu befürchten, im Gegenteil: Arbeitgeber müssen per Gesetz Schwerbehinderte fördern.

Änderung des Gesundheitszustandes

Wenn sich der Gesundheitszustand verändert und/oder es kommt eine weitere dauerhafte Einschränkung durch eine neue Erkrankung hinzu, kann man beim Versorgungsamt ein Antrag auf Erhöhung des GdB stellen.

 


Der Grad der Behinderung kann auch geändert werden. Dazu sind ein Antrag auf Neufeststellung und erneute medizinische Gutachten notwendig. Man sollte aber auch damit rechnen, dass der GdB evtl. herabgesetzt werden kann.

 


Urteil zu Absenkung GdB – Wer hat Beweislast?

https://www.anwaltsregister.de/Anwaltstipps/Absenkungsverfahren_Wer_hat_Beweislast_fuer_Hoehe_des_GdB.d8478.html

Obwohl dieser Beitrag zum Thema GdB so umfangreich geworden ist, beinhaltet er bei Weitem nicht alles. Trotzdem wollten wir euch so einen kleinen Einblick und erklärende Hilfestellung geben.
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Urteil Grad der Behinderung / Lymphödem


Anerkennung der Schwer­behinderten­eigenschaft und Zuerkennung des
Merkzeichens "G" bei beidseitigem Beinlymphödem

Der Grad der Behinderung (GdB) bei Lymphödemen beträgt bei erheblicher Beeinträchtigung je nach Ausmaß 50-70.

Das Sozialgericht Karlsruhe hat am 28.05.2019 entschieden (Az.:S 10 SB 3104/17), dass ein beidseitiges Beinlymphödem, das zu einer Einschränkung der Höchstgehleistung von nur noch 100 Metern führt, die Anerkennung der Schwer­behinderten­eigenschaft und die Zuerkennung des Merkzeichen "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) rechtfertigen kann.

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